Zwischen Pastell und Pause

Farbgedanken aus dem Krankenhausbett

Manchmal bringt uns das Leben zum Stillstand – mal ohne großes Vorwarnen, mal sanft mit Ankündigung, so wie bei mir gerade. Ich liege im Krankenhaus, ein Ort, den man sich selten freiwillig aussucht, aber der einem ziemlich viel zeigt, wenn man bereit ist, hinzuschauen.

Zwischen Infusionen, nüchternen Infotafeln, piependen Geräten und Teewagen mit dampfendem Kräutertees entdecke ich etwas, das mich nicht mehr loslässt: die Farben.

Hier ist alles… leise. Zarte Pastelltöne, gedeckte Farben, Streifen auf Textilien. Helle Bettwäsche, mintgrüne Schwesternkleidung, beige Vorhänge mit einem Hauch Sonnengelb, weiße Wände, aber kein schmerzhaftes Weiß – eher wie Milch mit einem Tropfen Grau. Und ich frage mich: Warum genau diese Farben?

Ich weiß, es ist kein Zufall. Krankenhäuser sind Orte der Regeneration, der Beobachtung, der inneren und äußeren Heilung. Hier wird heruntergefahren – körperlich, mental, emotional. Und in genau diesem Zustand schreien wir nicht nach Neonpink oder Kanariengelb. Wir sehnen uns nach Ruhe. Nach Entlastung. Nach Nicht-zu-viel.

Pastellfarben sind die Flüsterer unter den Farben.
Unbekannt

Pastellfarben sind die Flüsterer unter den Farben. Sie drängen sich nicht auf, sie nehmen sich zurück – genau wie man selbst es in diesen Momenten tut. Eine laute Farbe wäre hier wie ein schlechter Besucher: zu viel, zu schnell, zu laut.

Auch die Streifenmuster – dezent, regelmäßig, fast meditativ – haben etwas Ordnendes, etwas Haltendes. Sie geben Struktur, wo vielleicht gerade vieles bröckelt. Und das funktioniert ganz unterbewusst.

Während ich hier liege und das alles beobachte, muss ich an ein Projekt aus meinem Studium denken. Damals durften wir als Studenten die Gestaltung einiger Krankenhausräume im Städtischen Klinikum Dessau übernehmen – eine spannende, aber auch herausfordernde Aufgabe. Man muss sich erst einmal bewusst machen, wer diese Räume sieht – und vor allem: in welcher Situation. Niemand ist freiwillig im Krankenhaus, die meisten kommen mit Sorgen, Ängsten oder Schmerzen.

Ich habe damals bewusst sehr softe, pastellene Farbtöne gewählt – kombiniert mit abstrakten, flächigen Formen. Nicht nur an den Wänden, sondern auch an der Decke. Mein Gedanke war: Wenn man schon liegen muss, soll der Blick nach oben zumindest etwas Sanftes, Beruhigendes bieten. Die abstrakten Formen hatten kein konkretes Motiv, damit jeder darin etwas Eigenes entdecken kann. Vielleicht ein Tier. Vielleicht eine Landschaft. Vielleicht einfach nur Farbe und Fläche. Alles, was vom Hier und Jetzt kurz ablenkt.

Jetzt, Jahre später, erlebe ich die Wirkung dieser Entscheidungen aus einer ganz anderen Perspektive – als Patientin. Und ich merke: Es war richtig so.

    Fazit: Gutes Design ist nicht nur schön – es fühlt mit. Es denkt mit. Und es begleitet leise, ohne sich aufzudrängen. Die Farbwelt im Krankenhaus zeigt mir gerade eindrucksvoll, wie viel Kraft in Sanftheit liegt. Vielleicht brauchen wir alle im Alltag ein bisschen mehr davon.


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