"Kannst du mal schnell"
Kostenlose Beratung klingt verlockend. Ist sie aber auch fair?
Vor ein paar Tagen bin ich auf die Instagram-Story einer bekannten, früheren Chemnitzer Richterin gestoßen, die heute als Rechtsanwältin tätig ist. Ihre Geschichte hat mich zum Nachdenken gebracht – und dazu inspiriert, diesen Beitrag zu schreiben.
Sie erzählte von einem potenziellen Mandanten, der sich für ein Beratungsgespräch interessierte. Als sie ihm ihren Stundensatz nannte, kam die Antwort prompt: Er hätte lieber eine kostenlose Beratung. Ihre Reaktion? Klar und professionell: Auch eine juristische Einschätzung ist Arbeit – und Arbeit darf und sollte entlohnt werden.
Diese Szene kommt mir sehr bekannt vor. Auch ich erlebe in meiner Arbeit als Designerin immer wieder ähnliche Anfragen. Menschen möchten eine Einschätzung, eine Idee, eine Richtung – am besten gleich, kurz und gratis. Was dabei oft vergessen wird: Auch hinter einer kreativen Beratung steckt nicht nur ein Gespräch, sondern jede Menge Know-how, Erfahrung und Zeit.
Ich habe über viele Jahre hinweg verschiedene Aus- und Weiterbildungen absolviert, um meinen Kundinnen und Kunden nicht nur schöne Designs zu liefern, sondern ganzheitliche, durchdachte Konzepte. In meine Beratung fließen rund 20 Jahre Erfahrung ein – strategisch, gestalterisch, menschlich. Und nein: Das passiert nicht mal eben nebenbei.

Wertschätzung beginnt nicht erst mit der Unterschrift unter einem Vertrag. Sie zeigt sich schon in der Haltung, mit der man einer professionellen Leistung begegnet. Und ja – selbst im Freundeskreis ertappt man sich schnell dabei, dem Handwerker, der Friseurin oder dem IT-Spezialisten die berühmte „kleine Frage zwischendurch“ zu stellen. Auch ich bin da nicht frei von. Der Unterschied ist: Ich bezahle trotzdem für die Leistung. Weil ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn die eigene Arbeit nicht als solche anerkannt wird.
Gerade in der Anfangszeit meiner Selbstständigkeit habe ich so einiges „für eine Tüte Gummibärchen“ gemacht – abends, am Wochenende, nebenbei. Flyer, Logos, kleine Layouts. Hauptsache helfen, Hauptsache nett sein. Heute weiß ich: Freundlichkeit heißt nicht, den eigenen Wert zu verschenken. Entweder jemand erkennt, was meine Arbeit leistet – oder eben nicht. Dann bin ich nicht die Richtige für den Job. Und das ist auch völlig okay.
Mal überspitzt gerechnet: Würde ich jeden Tag acht potenzielle Neukundinnen und -kunden jeweils eine Stunde beraten – inklusive Vorbereitung, Anfahrt, Nachbereitung – hätte ich einen kompletten Arbeitstag hinter mir. Nur eben ohne Umsatz. Klingt wenig nachhaltig? Ist es auch.
Ein Vergleich gefällig? Stellen Sie sich vor, Sie gehen zum Friseur, lassen sich zu Schnitt und Farbe beraten, bekommen Tipps für Pflege und Styling – und gehen danach einfach wieder. Ohne Haarschnitt, ohne zu zahlen. Nur mal so, für die Idee. Klingt komisch? Ist es auch.
Fazit: Gute Beratung ist kein Gratisprodukt. Sie ist das Resultat aus Wissen, Zeit und Engagement. Und sie ist eine Investition – in Ihr Projekt, Ihre Marke, Ihr Ziel.
Das heißt natürlich nicht, dass jeder Satz, den man spricht, oder jedes kurze Telefonat gleich auf der nächsten Rechnung auftauchen muss. Es geht nicht darum, jede zehnminütige Unterstützung zu bepreisen. Es geht ums Maß – und um gegenseitige Wertschätzung. Wenn es sich gut anfühlt, der besten Freundin einen Gefallen zu tun, dann ist das genauso in Ordnung. Wichtig ist nur: Es sollte sich für beide Seiten stimmig und ehrlich anfühlen – nicht wie eine Selbstverständlichkeit.
Vielleicht denken Sie beim nächsten „Könnten Sie mal kurz …?“ daran zurück. Denn auch das „kurz“ hat meist einen langen Hintergrund. Und manchmal ist die klarste und fairste Antwort auf eine kostenlose Anfrage schlicht: „Nein – aber gern gegen Rechnung.“
